von Akio Matsumura
3. September 2013
Japan ist eine Inselnation, die über die Wasserströme des Pazifischen Ozeans mit dem Rest der Welt verbunden ist. Über Jahrtausende brachten diese Wasserwege japanische Seeleute zu fernen Ufern. Jetzt bringen die Wasserwege Radioaktivität an diese Ufer. Japans Weigerung, beim Katastrophenmanagement in Fukushima um internationale Hilfe zu bitten, wäre noch irgendwie verständlich, wenn nur das Schicksal seiner Bewohner auf dem Spiel stehen würde. Aber angesichts der Tatsache, dass die Gesundheit des ganzen Planeten auf dem Spiel steht, ist Japans Missmanagement in der Atomkrise unverantwortlich und sollte von anderen Regierungen nicht akzeptiert werden, vor allem nicht von den Vereinigten Staaten, deren Lebensmittelversorgung davor steht kontaminiert zu werden.
Kontaminiertes Wasser entsteht beim Kühlen von abgebrannten Brennelementen im Atomkraftwerk. TEPCO bewahrt kontaminiertes Wasser in fast 1000 Tanks innerhalb der Anlage auf. Etwa ein Drittel dieser Tanks ist deshalb für Lecks anfälliger, weil deren Stahlwände verschraubt und nicht geschweißt sind. TEPCO muss weiterhin Jahr für Jahr mehrere hundert solcher Tanks aufstellen. Der Rückbau der Anlage soll 40 Jahre dauern – wo werden die neuen Wassertanks also Platz finden?
TEPCO kommt schon jetzt kaum mit der wachsenden Zahl von Problemen, die sich aus der Lagerung des Wassers ergeben, zurecht. Der Vorsitzende der japanischen Atomaufsichtsbehörde (NRA) hat die Atomanlage in der Zeitschrift Japan Times als „Geisterhaus“, in dem „ein Vorfall den anderen jagt“, beschrieben. Der Guardian spricht davon, dass von einem Tank extrem hohe Strahlung ausgeht. TEPCO weiß nicht, warum die Strahlung derart angestiegen ist.
Im Sommer – nachdem TEPCO eingestanden hatte, dass radioaktiv verseuchtes Wasser seit dem Crash [von 2011; AdÜ] in den Pazifischen Ozean fließt, und TEPCO sich hinlänglich als unfähig erwiesen hatte, die Katastrophe in den Griff zu bekommen, wies Premierminister Abe die Atomaufsichtsbehörde an, beim Rückbau der Anlage eine aktivere Rolle zu spielen. Ihr Vorsitzender, Shunichi Tanaka, bemerkte: „Wir schaffen es augenblicklich nicht, das ausfließende radioaktive Wasser aufzuhalten. Das ist nun einmal so. Das Wasser rinnt weiter ins Meer und wir sollten die Verschmutzung der Umwelt verstärkt im Auge behalten.“
Das radioaktiv verseuchte Wasser wird weiterhin in den Ozean fließen. Und wenn es dann einmal keinen Platz mehr für neue Tanks geben wird, dann wird Japan das radioaktive Wasser, das es jetzt noch aufbewahren kann, irgendwie entsorgen müssen.
Die Auswirkungen auf den Ozean sind weitgehend unbekannt. Wir müssen uns bewusst sein, dass der Pazifische Ozean weite Gebiete dieser Erde miteinander verbindet, dass er an die Küsten von Nord- und Südamerikas heranreicht, an die langen Küsten und Inseln Asiens und an die Korallenriffe Australiens. Die Lebensvielfalt, die er aufzuweisen kann, ist eine umfassende und reiche.
Anders ausgedrückt, wir brauchen seine Ressourcen und das sollte uns dann doch wirklich beunruhigen. Im Osten Alaskas finden wir den Lachs, der Thunfisch schwimmt von der Küste Japans los. Bis jetzt ruht die Fischerei in der Gegend von Fukushima. Ken Buessler, der Leiter eines radiochemischen Forscherteams, das gerade seine Arbeit an der Küste von Fukushima abgeschlossen hat, macht klar, dass wir noch wenig über die ökologischen Auswirkungen der Katastrophe auf das Meere wissen, dass aber der wachsende Eintrag an verstrahltem Wasser in den Ozean besorgniserregend ist.
Über Jahrtausende hatten die Japaner eine enge Beziehung zum Meer. In den letzten beiden Jahre hat sich dieses ererbte Verhältnis aber für immer gewandelt. Wir können die Auswirkungen auf die Lebenszusammenhänge kaum abschätzen, weil wir ganz einfach zu wenig darüber wissen. Als Bewohner dieses Planeten haben die Japaner und andere Menschen nicht das Recht, solche Verseuchungen anzurichten, wie es geschehen ist.
Das Wasserproblem ist aber nur eine Angelegenheit, bei der etwas falsch gelaufen ist – sie ist eine von vielen, die noch schieflaufen können. Viele Wissenschaftler haben den schlimmsten anzunehmenden Fall für Fukushima beschrieben: Vier Reaktoren wurden vom Tsunami und vom Erdbeben von 2011 zerstört. Drei Reaktoren sind wegen der hohen Strahlung überhaupt nicht in den Griff zu bekommen und der vierte enthält 10 Mal mehr Radioaktivität, als in Tschernobyl freigesetzt wurde. Sollte einer der Reaktoren kollabieren, artet das in eine globale Katastrophe aus. Erdbeben und die Zerstörungen an der Bausubstanz erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solch einem Ereignis kommt.
Krise. Katastrophe. Mit anderen Worten, höchste Alarmbereitschaft.
Schon ein kurzer Blick auf die Politik von Premierminister Abe reicht, um einsehen zu müssen, dass in Japan weiter gemacht wird, als ob nichts gewesen wäre. Obwohl er seit kurzem für das Missmanagement in dieser Krise kritisiert wird (einige haben sich dafür eingesetzt, dass Tokyo nicht für die Olympischen Spiele 2020 kandidieren soll), kann er auf Grund seiner starken Position einfach weiter machen, seinen politischen Kurs unverändert beibehalten.
Im Grunde sollte Premierminister Abe seine hart erkämpfte politische Unabhängigkeit dazu gebrauchen, eine Krise abzuwenden. Er hätte die Möglichkeit, den Nationalstolz, der Japan so unbeweglich macht, zu überwinden und um die beste technische Unterstützung und um die besten Expertisen, die auf diesem Globus zu haben sind, zu bitten. Die Welt würde Japan ohne Zweifel unverzüglich zu Hilfe eilen. Es wäre die wichtigste Aufgabe der Regierung, nach Unterstützung Ausschau zu halten. Außerdem wäre das eine vernünftige Politik. Wie kann man die japanische Wirtschaft stärken, wenn hochklassige Exportartikel radioaktiv sind?
In der Tat: Mir fällt es schwer zu glauben, dass er nicht das vorrangige Ziel darin sieht, der nächsten Katastrophe vorzubeugen – einem undichten Wassertank, einem Stromausfall in einem Abklingbecken, einem weiteren Mega-Erdbeben. Ich glaube, Premierminister Abe ist sich der gewaltigen Aufgabe und des Katastrophenpotentials sehr wohl bewusst, aber weil er keine klare Vorstellung davon hat, was angesichts der zerstörten Reaktoren und des radioaktiv verseuchten Wassers in den nächsten 10 Jahren geschehen soll, will er die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Olympischen Spiele von 2020 in Tokyo lenken. Angesichts dieser Strategie bleibt nur noch die vage Hoffnung, dass es bis dahin nicht zur nächsten großen Krise kommt.
Die Latte für das Handeln auf Regierungsebene ist widersinnig hoch gelegt. Vor allem in den Vereinigten Staaten. Die politische Führung sagt, dass die Wissenschaft noch unsicher sei, dass wir mehr gesicherte Beweise brauchen. Das ist grob fahrlässig. Einzig und allein eine Regierung hat die Möglichkeit, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen und möglichst rasch einzuschreiten, damit vorbeugende Massnahmen zum Schutz der Öffentlichkeit ergriffen werden können. Deutschland, Russland, Frankreich und England können mit Sicherheit helfen, in den Vereinigten Staaten gibt es reichlich erstklassige Technik und viele Experten auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Ingenieurskunst und der Gesundheit. Japan muss um Hilfe bitten, damit das Wasser unter Kontrolle gebracht und die vier zerstörten Reaktoren stabilisiert werden können. Amerikanische und japanische Führungspersönlichkeiten sollten sich klar darüber sein, dass bei der unumkehrbaren Natur einer großen Krise wir auf der Strahlung und anderen Gesundheitsgefährdungen sitzen bleiben – und das für mindestens ein paar Jahrhunderte.
Ein Politiker kann sich mit seinem Amtsende aus der Verantwortung ziehen, wir Bürger aber können nicht vor den hinterlassenen Gefahren für die Gesundheit flüchten. Wir als Japaner wollen es nicht auf dem Gewissen haben, die zu sein, die den Pazifischen Ozean irreparabel geschädigt haben. Und wir als Amerikaner wollen nicht von der Krise getroffen werden. Wir als Menschheit wollen keinen verseuchten Pazifischen Ozean erleben. Aber indem wir zulassen, dass Premierminister Abe bei seinem Weg Reichtum vor Gesundheit bleibt, meißeln wir vereint unsere Rolle in die Geschichtsbücher.
Japan muss von seinem Nationalstolz ablassen und die besten Köpfe und die beste Technologie von überall her erbitten – um Japan und die Welt zu retten.
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Ich bedanke mich vom ganzen Herzen für diese klaren Worte. Japan und die Welt sollten begreifen das Sie sich den Teufel ins Boot geholt haben. Der Teufel mag seine Ruhe so wie Gott auch aber der Mensch sucht so wie es ausschaut immer und immer wieder nach Streit jetzt wird er wohl seinen Streit gefunden haben in aller Ewigkeit. Marco Nicolaus Mielczarek 12.09.2013 meine Geburtszahl in diesem Jahr ist 11.12.13 mein Jahr ist 1966<<…