Von Akio Matsumura
In der Hitze des Augusts ist es für viele an der Zeit, noch einen kurzen Urlaub zu machen. Das gilt für Präsident Obama wie für einen Kleinunternehmer oder einen Lehrer. Zweifellos, für Studenten, Eltern und Lehrer ist das die letzte Erholungspause vor dem Start ins neue Schuljahr.
Seit den Konferenzen des Global Forums in Oxford, Moskau, Kyoto, Rio de Janeiro, Konya und Jerusalem hatte ich die Gelegenheit, mit vielen begabten Studenten zusammen zu arbeiten. Ihre frischen Ideen und ihre dynamische Kraft haben bei jedem Treffen zu immer besseren Ergebnissen geführt. Im Jahr 2007 hatte ich das Glück, Chris Cote vorgestellt zu werden, der damals Student im 2. Studienjahr an der Tufts Universität war und dessen Engagement inzwischen unverzichtbar ist – von der Gestaltung unseres Blogs bis hin zur Entwicklung der Vorgangsweise. Im nächsten Monat wird er mit dem Studium an der Kennedy School of Government in Harvard beginnen. Viele seiner Kommilitonen werden aus den verschiedensten Ländern kommen. Sie werden von ihren Regierungen in dieses erstklassige Studium geschickt und auf ihnen ruht die Hoffnung dieser Länder, wenn es darum geht, in eine schwierige, aber hoffnungsvolle Zukunft geführt zu werden.
Über die Lehrinhalte hinaus kommt den künftigen Führungspersönlichkeiten der Idealismus zugute, der durch den Zusammenhalt in einer Klasse gefördert wird. Freundschaften, die in der Studienzeit geschlossen und durch die menschliche Nähe, die bei Klassenkameraden zu finden ist, gefördert werden – solche Freundschaften sind ein unschätzbarer Gewinn, auf den sich die Studenten später in der Berufslaufbahn stützen können. Das sind unsichtbare Verbindungen, die helfen können, institutionelle und hierarchische Hindernisse zu überwinden. Aber Freundschaften machen noch lange keine Führungsperson aus. Nur diejenigen, die diese Zeit dahingehend nutzen, aus eigener Kraft eine Vision zu entwickeln, werden in der Lage sein, sich den Herausforderungen zu stellen, die die nächsten Jahrzehnte bringen werden.
Und diese Herausforderungen werden unermesslich und beispiellos sein. Die Atomwaffen und die vielen Probleme, die sie in allen Ländern verursachen, werden an erster Stelle stehen, wenn es um nationale Sicherheit geht, erschweren wird diese komplizierte Situation das Anwachsen des vom Islamischen Staat (ISIS) kontrollierten Territoriums. Erschweren werden diese Situation auch noch ethnische und religiöse Konflikte, die Zunahme der Atomkraftwerke in unsicheren Regionen und die immer deutlicher werdenden Auswirkungen der Klimaerwärmung. Die Herausforderungen gehen über die traditionellen Studieninhalte hinaus, ihre wachsende Bandbreite reicht von der Sicherheit für den Einzelnen, der Sicherheit für die Umwelt, der globalen Sicherheit bei den Finanzen bis hin zu all ihren wechselseitigen Verknüpfungen. Sie gehen auch über unser traditionelles Zeitempfinden hinaus. Nach dem 2. Weltkrieg brauchte Japan nur zwanzig Jahre, um aus dem Ruin herauszukommen und eine boomende Wirtschaft zu werden. Heute können ein Angriff mit Atomwaffen (mit Waffen, die mittlerweile dutzende Male gefährlicher sind) oder eine Katastrophe in einem Atomkraftwerks (das Abklingbecken des Reaktors 4 in Fukushima entspricht der Zerstörungskraft von 14.000 Hiroshima-Bomben) auf einen Schlag große Landstriche für Jahrhunderte unbrauchbar machen. Der Klimawandel, den wir verursacht haben und den wir eskalieren lassen, trägt ebenfalls seinen Teil bei.
Wir haben noch nicht jene Führungspersönlichkeiten heran gebildet, wir haben noch nicht jene Institutionen geschaffen, die für diese Probleme geeignet wären. Wer hätte in den 1940er-Jahren gedacht, dass die Folgen der heutigen Politik in die nächsten Jahrtausende reichen würden? Um eine vernünftige Politik für einen unvorstellbar großen Zeitraum entwickeln zu können, müssen unsere Führungskräfte so erzogen werden, dass sie anders denken lernen. Wie wirkt sich unser heutiges Handeln auf die zukünftigen Generationen aus, nicht nur auf unsere Kinder, sondern auch auf unsere Ur-Ur-Enkel? Welche Verantwortung tragen wir – als Führungskräfte und als Menschen?
Die Harvard Universität ist der beste Ort, um eine neue Generation von Führungskräften heran zu bilden, die Ausbildung umfasst eine Vielzahl von Fachrichtungen und sie verfügt über erhebliche Mittel. Die ambitioniertesten Studenten an der Harvard Kennedy School werden in ihrer Zeit an der Universität sicherlich die Angebote der juristischen und der wirtschafts-wissenschaftlichen Fakultät zu nutzen wissen. Ich empfehle jenen, die eine tiefergehende und eigenständige Vorstellung von Führungsqualitäten entwickeln wollen, sich in die Harvard Divinity School vor zu wagen, die nur ein kleines Stück weiter hinten am Campus zu finden ist. Vorstellungen, die für einen langen Zeitraum Gültigkeit haben, entstehen von Natur aus eher bei religiösen Oberhäuptern, die viel Zeit mit dem Studium von Texten und von Geschichte verbracht haben, die hunderte und tausende Jahre alt sind. Fähigkeiten im Management, bei der Verhandlungsführung und bei der Analyse können kurzfristig dabei hilfreich sein, verschiedene politische Krisen internationaler Art abzuwenden. Aber wir brauchen Führungskräfte, die in Generationen denken können, nicht nur in Amtsperioden.
Wer wird zu diesem neuen Typ von Führungskraft – mit entsprechend kühnen Visionen für die nächsten Generationen – heranwachsen? Wenn die Studenten mit Ideen ausgerüstet werden, die es möglich machen, durch diese neuartigen Konflikte hindurch zu führen – dann kann Harvard seinem Anspruch gerecht werden.
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Originalquelle: http://akiomatsumura.com/2014/08/how-can-harvard-instill-vision-in-our-leaders.html
Translation, Lektorat: www.afaz.at (lo,ho) | August 2014 /v1
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