Japans Probleme mit dem radioaktiven Wasser

Vor ungefähr vier Jahren haben wir den Schwerpunkt dieser Webseite von Internationaler Sicherheit auf die nicht bekannten Probleme der Atomkraftwerke in Fukushima Dai-ichi gelegt – angesichts der drohenden Folgen eines noch größeren Unfalls war es unmöglich gewesen, nicht darauf einzugehen. Wir haben uns mit den Kernschmelzen befasst, den nicht vorstellbaren Auswirkungen eines Störfalles im Abklingbecken von Reaktor No. 4, den Eis-Schutzwänden sowie mit den möglichen Strahlenschäden bei Mensch, Tier und der gesamten Umwelt.

Das Wichtigste war aber wohl, dass wir Physiker, Biologen, Entscheidungsträger, Atomwissenschaftler, Ärzte, Journalisten, UN-Botschafter, geistliche Oberhäupter, Lehrer und Studenten miteinander vernetzen konnten, um ein umfassenderes Verständnis für den Zusammenhang der Atomkraft mit Mensch und Umwelt zu schaffen. Oft sind wir in Technik und Wissenschaft, aber auch in Wirtschaft und Politik durch enge, vertikale Formen des Denkens eingeschränkt. Unsere Absicht war es, Berufszweige mitsamt ihren leitenden Persönlichkeiten horizontal in Verbindung zu bringen. Die Auseinandersetzung über die Auswirkungen des 11. März 2011 wird noch über Jahrzehnte weitergehen und vermutlich zu keiner Lösung führen. Wir hoffen, dass wir zur Erweiterung des Gesprächs beigetragen haben. Von jetzt an wird Finding the Missing Link wieder seinen Schwerpunkt in den Themen wie Sicherheit, Religion und Globale Politik sehen, aufbauend auf dem, was wir in unsere Arbeit über Fukushima gelernt haben, und in der Hoffnung, Verbindungen herzustellen zu können, die sonst nicht zustande kommen würden.

Anfang dieses Monats sandte uns Gordon Edwards folgenden Artikel von Associated Press, in dem detailliert über den Stand der Aufräumungsarbeiten in den Atomkraftwerken berichtet wird und darüber, mit welchen Problemen es TEPCO und Japan künftig zu tun haben werden.

Akio Matsumura & Chris Cote

 

Akira Ono, Geschäftsführer des Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi von Tokio Electric Power Co (TEPCO), spricht im erdbeben-sichersten Gebäude des vom Tsunami angeschlagenen Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi in Okuma (Präfektur Fukushima im Nordosten Japans) zu den Medien, Mittwoch 12. Nov. 2014. „Das kontaminierte Wasser ist das vordringlichste Problem, das wir anpacken müssen. Darüber gibt es keinen Zweifel,“ so Ono, Leiter des Werkes, in dem es bei drei von seinen sechs Reaktoren im März 2011 nach dem Erdbeben und dem Tsunami zu einer Kernschmelze gekommen ist. „Unsere Bemühungen, das Problem zu beheben, sind jetzt auf dem Höhepunkt. Dennoch kann ich nicht genau sagen, wann es besser wird – ich hoffe, die Sache besser wird, sobald die Maßnahmen greifen.“ (AP Photo/Shizuo Kambayashi, Pool)
Akira Ono, Geschäftsführer des Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi von Tokio Electric Power Co (TEPCO), spricht im erdbeben-sichersten Gebäude des vom Tsunami angeschlagenen Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi in Okuma (Präfektur Fukushima im Nordosten Japans) zu den Medien, Mittwoch 12. Nov. 2014. „Das kontaminierte Wasser ist das vordringlichste Problem, das wir anpacken müssen. Darüber gibt es keinen Zweifel,“ so Ono, Leiter des Werkes, in dem es bei drei von seinen sechs Reaktoren im März 2011 nach dem Erdbeben und dem Tsunami zu einer Kernschmelze gekommen ist. „Unsere Bemühungen, das Problem zu beheben, sind jetzt auf dem Höhepunkt. Dennoch kann ich nicht genau sagen, wann es besser wird – ich hoffe, die Sache besser wird, sobald die Maßnahmen greifen.“ (AP Photo/Shizuo Kambayashi, Pool)

 

Japan’s Aufräumarbeiten
werden durch Probleme mit dem Wasser behindert

MARI YAMAGUCHI, Associated Press, November 12, 2014

OKUMA, Japan (AP) — In mehr als drei Jahren umfangreicher Aufräumarbeiten im vom Tsunami zerstörten japanischen Atomkraftwerk konnte sich nur ein winziger Teil der Arbeiter auf die Hauptaufgaben konzentrieren, die da sind: Abbau der zerstörten Reaktoren und Entfernen der radioaktiven Brennelemente.

Stattdessen werden fast alle Arbeiter in der Anlage von Fukushima Dai-ichi von einem einzigen Problem gebunden, das sich als äußert hinderlich erweist – nämlich der noch immer anwachsenden Menge des kontaminierten Wassers, das dazu verwendet wird, die zerstörten Reaktoren vor Überhitzen zu schützen. Die Wassermenge vergrößert sich stetig durch das in die Reaktorgebäude eindringende Grundwasser.

Hunderte von riesigen blauen und grauen Behältern, in denen das radioaktive Wasser aufbewahrt wird, und Gebäude mit Wasseraufbereitungsanlagen verbreiten sich rasch auf dem Werksgelände mit der Dreifach-Kernschmelze, die auf ein Erdbeben und einen Tsunami im Jahr 2011 gefolgt war.

Während eines Besuchs der Anlage durch ausländische Medien – Associated Press war mit dabei – bauten die Arbeiter noch immer neue Behälter.

„Das kontaminierte Wasser ist das vorrangige Problem, das wir anpacken müssen. Daran besteht kein Zweifel,“ so Ono, der Leiter der Anlage. „Unsere Bemühungen, das Problem zu beheben, sind jetzt auf dem Höhepunkt. Dennoch kann ich nicht genau sagen, wann es besser wird – ich hoffe, dass die Sache besser wird, wenn unsere Maßnahmen greifen.“

Die Zahlen sprechen für sich.

6.000 Arbeiter

Jeden Tag passieren ungefähr 6.000 Arbeiter den Wachposten bei der Anlage Fukushima Dai-ichi an der pazifischen Küste – zwei bis drei mal so viel als zu jener Zeit, als sie noch wirklich Strom produzierte.

An einem der vergangenen Werktage hätten etwa 100 Arbeiter ein provisorisches Dach über einem Reaktorgebäude entfernt und ungefähr ein Dutzend Arbeiter hätten Brennstäbe aus einem Abklingbecken entfernt. Der Rest [ca. 5.800 Arbeiter] seien mit dem kontaminierten Wasser beschäftigt gewesen – so Tatsuhiro Yamagishi, Sprecher von Tokio Electric Power Co., oder TEPCO, jenem Energieversorger, dem das Werk gehört.

Dem Werk drohen die Arbeiter für andere Aufgaben auszugehen, da diese mit der Arbeit aufhören müssen, wenn sie die Obergrenze bei der jährliche Strahlendosis erreicht haben. Experten sagen, dass es sehr wichtig sei, die Menge an Wasser und die Radioaktivität zu reduzieren, um das Strahlenrisiko für die Arbeiter und die Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern, bevor die Stilllegungsarbeiten näher an die hoch kontaminierten Bereiche der Reaktorkerne herankommen.

40 JAHRE

Die Anlage hat sechs Reaktoren, drei von ihnen waren abgeschaltet, als es am 11. März 2011 mit der Katastrophe losging. Ein Erdbeben der Stärke 9.0 hatte einen riesigen Tsunami ausgelöst, der über die Anlage fegte und die Notaggregate und Kühlsysteme lahm legte, was dann zu den Kernschmelzen in den laufenden Reaktoren führte.

Das Stilllegen und Abbauen aller sechs Reaktoren ist ein heikler und zeitintensiver Prozess, der sowohl das Entfernen der geschmolzenen Brennelemente aus einem hoch radioaktiven Umfeld mit sich bringt, aber auch das Bergen all der anderen [bestrahlten] Brennelemente, die in den Abklingbecken oben in den Reaktorgebäuden lagern. Die Arbeiter müssen den genauen Zustand der geschmolzenen Reaktorkerne ermitteln und müssen ferngesteuerte und strahlen-resistente Roboter entwickeln, mit denen etwas anzufangen ist.

Probleme und Verzögerungen in der Vorbereitungsphase haben den Zeitplan für die Stilllegung zurückgeworfen. Dazu gehören die Wasserproblematik und zusätzliche Maßnahmen zur Einschätzung der ökologischen und gesundheitlichen Belange beim Beseitigen der hochradioaktiven Trümmerteile, die seit den Explosionen während den Kernschmelzen oben in den Reaktoren liegen. Unlängst sagten Beamte, dass die Regierung und TEPCO beabsichtigen, den geplanten Start zur Bergung des Brennstoffs in den Einheiten 1 und 2 um fünf Jahre zu verschieben.

Die Stilllegung der vier Reaktoren selbst wird mindestens 40 Jahre dauern.

500.000 TONNEN

Das Eindringen des Grundwassers verdoppelt die Menge an kontaminiertem Wasser, das auf dem weitläufigen Gelände verteilt wird.

Durch den Kontakt mit dem radioaktiven Brennstoff wird jenes Wasser kontaminiert, das zur Kühlung der geschmolzenen Brennelemente im Inneren verwendet wird. Eine große Menge dieses Wassers versickert und strömt in die Keller der Reaktor- und Turbinengebäude, darüber hinaus aber auch in die Wiederaufbereitungsbecken, die sich bis an den Pazifischen Ozean hin erstrecken. Pläne zum Einfrieren des am stärksten verseuchten Wassers in einem Graben nahe der Reaktoren haben sich in den letzten 8 Monaten aufgrund technischer Probleme verzögert.

In der Anlage wird ein Teil des kontaminiertem Wassers nach einer oberflächlichen Behandlung wieder zum Kühlen verwendet, aber das einsickernde Grundwasser sorgt für einen gewaltigen Überschuss, der abgepumpt werden muss.

Derzeit werden mehr als 500.000 Tonnen an radioaktivem Wasser in beinahe 1.000 großen Behältern gelagert, die mittlerweile weite Bereiche der Anlage belegen. Nach einer Leck-Serie im vergangenen Jahr werden die Behälter [die nur gebolzt sind] durch aufwändigere geschweißte Behälter ersetzt.

Diese Unmengen lassen die 9.000 Tonnen an kontaminiertem Wasser, die 1979 bei der Kernschmelze im Atomkraftwerk Three Mile Island in den Vereinigten Staaten angefallen sind, als winzig erscheinen. In Three Mile Island habe es 14 Jahre gebraucht, bis das Wasser verdampft sei, sagte Lake Barrett, ein Beamter der US-Atomaufsichtsbehörde im Ruhestand, der ein Mitglied des ersten Teams für Schadensbegrenzung gewesen ist und die Anlage in Fukushima besucht hat.

„Hier gibt es ein viel komplexeres, ein viel schwierigeres Managementproblem beim Wasser“, sagte Barrett.

10 BILLIONEN YEN

Geschätzte 2 Billionen Yen ($ 18 Milliarden) werden allein für die Dekontaminierung und die weitere Eindämmung des Wasserproblems benötigt. Berichten zufolge wird das Stilllegungsprogramm, einschließlich Kompensationszahlungen an die Bewohner der Umgebung, unterm Strich an die 10 Billionen Yen oder etwa 90 Milliarden Dollar kosten.

All das für eine Anlage, die niemals wieder ein einziges Kilowatt Strom liefern wird.

Etwa 500 Arbeiter graben tiefe Löcher bei der Vorbereitung für eine vom Steuerzahler finanzierte 32 Milliarden Yen ($ 290 Millionen) teure unterirdische „Eis-Wand“ rund um vier Reaktoren und deren Turbinengebäude, die das kontaminierte Wasser am Heraussickern hindern soll.

TEPCO entwickelt Methoden, die die meisten radioaktiven Elemente aus dem Wasser entfernen sollen. Eines, als ALPS bekannt, hatte mit Problemen zu kämpfen, aber Funktionäre des Energieunternehmens hoffen darauf, dass der angepeilte Umsatz von täglich 2.000 Tonnen erreicht wird, wenn sie nach der Endkontrolle durch die Aufsichtsbehörden im nächsten Monat voll in Betrieb gehen soll.

Die Funktionäre hoffen darauf, das ganze kontaminierte Wasser bis Ende März behandeln zu können – aber das ist alles andere als gesichert.

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