Ein richtungsweisendes Gerichtsurteil stellt in Japan die Sicherheit an erste Stelle – bei den Olympischen Spielen sollte dasselbe gelten.

Akio Matsumura

Ein Bezirksgericht in Japan hat entschieden, dass die beiden Oi Reaktoren der Kansai Electic Energie Gesellschaft wegen struktureller Mängel nicht wieder in Betrieb genommen werden dürfen. Im Beschluss des Bezirksgerichts Fukui ist – nach einem Artikel im Mainichi Shimbun – zu lesen:

„Das Recht des Einzelnen auf Schutz seines Lebens und seiner Lebensgrundlagen ist einer der höchsten Werte in der Verfassung. Deshalb kam das Gericht zu dem Schluss, dass 'es nur natürlich wäre, Atomkraftwerke außer Dienst zu nehmen, wenn sie eine bestimmte Gefahr darstellen – allerdings wäre es ein überzogenes Argument zu sagen, dass die Existenz solcher Anlagen laut Verfassung unzulässig ist'.“

Bis zu diesem Urteil haben die japanische Regierung und die Gesetzgebung Entscheidungen getroffen, die die Wirtschaft stärken und die Importe verringern sollten. Dieses Urteil ist umsichtig und stellt die Gesundheit von Mensch und Umwelt über die Handelsbilanzen.

Weiters schreibt die Japan Times zusammenfassend:

Der entscheidende Punkt in diesem Urteil ist die Feststellung, dass es sich wissenschaftlich nicht bestätigen lässt, dass kein Erdbeben stärker sein könne als das im Worst-Case Szenario des Betreibers angenommene. Es wurde darauf hingewiesen, dass es seit 2005 im Umland von vier Atomkraftwerken zu stärkeren Erdbeben gekommen ist, als die angenommene maximale Stärke für das Betriebsgelände es erlaubt hätte. Es sei ein „haltloser Optimismus“, in diesem von Erdbeben gefährdeten Land anzunehmen, dass ein derartiger Erdstoß niemals die Anlage von Oi treffen könnte – so das Urteil. 

Es bleibt abzuwarten, ob Japan den Entscheid des Bezirksgerichts Fukui respektiert oder ob es mit dem geplanten Neustart fortfährt.

Fukui Asahi Getty

Ich habe oft von japanischen Meinungsmachern gehört, dass die Olympischen Spiele 2020 in Tokio Japans BIP und die Moral des Landes und der Menschen entscheidend antreiben würden. Ich schließe mich dem Gericht an, wenn es sagt, dass die Gewährleistung der Sicherheit unserer Weltklasseathleten wichtiger ist als das Eröffnen von Geschäftsinteressen für Tokio.

Zum Glück gibt es jene, die sich über die Gesundheit und Sicherheit der Athleten bei den Olympischen Spielen in Tokio Sorgen machen. In einem früheren Blockbeitrag habe ich den Brief von Dr. Helen Caldicott an Herrn Thomas Bach, den Vorsitzenden des Internationalen Olympischen Komitees, veröffentlicht, in dem sie das IOC auffordert, ein unabhängiges Expertenteam von Biomedizinern zusammenzustellen.

Am 16. Mai 2014 erhielt Dr. Caldicott eine offizielle Antwort von Herrn John Coates, dem Vizepräsidenten des Internationalen Olympischen Komitees und der IOC Koordinationsabteilung:

„Für das Internationale Olympische Komitee (IOC) und für mich als Vorsitzendem der IOC Koordinationsabteilung, die im Auftrag des IOC die Olympischen Spiele in Tokio 2020 beaufsichtigt, steht die Gesundheit und Sicherheit der Athleten bei den Spielen an vorderster Stelle. Sie können sicher sein, dass ich mein Möglichstes tue, um zu gewährleisten, dass die Athleten während der Spiele in Tokio ihre Wettkämpfe in einem gesundheitlich sicheren Umfeld austragen werden ...

Aus den Antworten der japanischen Behörden geht klar hervor, dass diese eine Reihe von wichtigen Maßnahmen zum Schutz ihrer Bürger umsetzen …"

Der japanischen Bericht im Anhang beginnt mit den Worten „Es werden von diversen Ministerien und Agenturen die verschiedensten strengen Tests durchgeführt, die Gesundheitsrisiken in Verbindung mit Strahlung abklären sollen.“

Natürlich werden diese Berichte und Untersuchungen nicht von unabhängiger Seite überprüft. Herr Coates und der Rest des IOC sind vollkommen abhängig von japanischen Informationen bei der Einschätzung der japanischen Vorbereitungen und den Herausforderungen bei den Aufräumarbeiten in Fukushima.

Im Rahmen dieser Auseinandersetzung möchte ich die Sichtweise von Dr. Scott Jones, einem ehemaligen Marineoffizier, vorstellen. Er wurde als Pilot für atomar bestückte Flugzeuge ausgebildet und diente im Korea- und Vietnamkrieg. Dr. Jones war auch leitender Mitarbeiter von Senator Claiborne Pell, dem früheren Vorsitzenden des Senatsausschusses für Auswärtige Angelegenheiten und – in den Worten von Vizepräsident Biden – ein „führender Kopf im Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen“.

Dr. Jones schreibt:

Die schrecklichen, aber vorhersehbaren Folgen des Erdbebens und Tsunamis wurden für die Bürger Japans und mittlerweile der ganzen Welt zunehmend unerträglich.

Wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen, besteht die beste Absicherung eines Politikers darin, behaupten zu können, dass die gesundheits-politischen Entscheidungen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen und medizinischem Kenntnissen gefällt worden seien.

Das war im Fall von Fukushima eindeutig nicht der Fall und es gäbe eine Möglichkeit, diese Situation zu korrigieren. Für die japanische Regierung, das Internationale Olympische Komitee, für alle Regierungen, die Japan und die Zukunft des Olympischen Systems unterstützen, wäre es längst an der Zeit innezuhalten und ein unabhängiges medizinisches und wissenschaftliches Expertenteam einzusetzen, um das, was passiert ist, zu beurteilen – aber auch das, was getan werden kann und getan werden muss, um das Leben in Japan und auf der Welt zu schützen.

Das bezieht sich direkt auf die heutigen und zukünftigen Gesundheitsbelange von Kindern und älteren Menschen in Japan und würde alle Unklarheiten hinsichtlich der Sicherheit der Olympischen Athleten und der Besucher bei den geplanten Olympischen Spielen von 2020 beseitigen. 

Tatsächlich entspräche eine unabhängige Überprüfung dem Geist der Erkenntnisse des Bezirksgerichts in Fukui. Die Sicherheit der Einheimischen und der weltbesten Athleten sollte nicht auf der Einschätzung eines „unbegründeten Optimismus“ basieren, sondern auf einer vorsichtigen und umsichtigen Lagebeurteilung. Dafür könnten Herr Coates und das Internationale Olympische Komitee sorgen, indem sie die Olympischen Spiele in Tokio von einer unabhängigen und internationalen Untersuchung der Zustände rund um die Atomanlage von Fukushima und Japans Fortschritten bei der Bewältigung derselben abhängig machen – auf wissenschaftlicher, technischer und medizinischer Ebene. Bis eine solche Überprüfung nicht angeordnet ist, sollte die IOC weniger davon überzeugt sein, dass unsere Athleten ein „gesundes und sicheres Umfeld während der Spiele in Tokio“ vorfinden werden.