Japans Achillesferse – Der drohende Ausbruch des Fudschijama und die Atomwirtschaft

von Akio Matsumura

31. Juli 2013

Beachten Sie bitte auch den Beitrag von Jorge Zanelli, einem theoretischen Physiker und ehemaligen Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses des Präsidenten in Chile, der die Möglichkeiten des Einsatzes der Atomenergie ausloten sollte.

 

Was passiert, wenn der Fudschijama [Mount Fuji] ausbricht? Diese Frage mag bei den Haaren herbeigezogen und als provokativ erscheinen, aber wir sollten sie stellen.

Das große Tohoku-Erdbeben, das im März 2011 zum Desaster im Atomkraftwerk Fukushima geführt hat, hat nun Wissenschaftler veranlasst, davor zu warnen, dass der Fudschijama in den nächsten zwei Jahren ausbrechen könnte.

 

 

Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es beim Fudschijama, der seit 300 Jahren inaktiv ist, Hinweise darauf gibt, dass er in nächster Zeit ausbrechen wird. Was bedeutet das im Hinblick auf die atomare Sicherheit?
Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es beim Fudschijama, der seit 300 Jahren inaktiv ist, Hinweise darauf gibt, dass er in nächster Zeit ausbrechen wird. Was bedeutet das im Hinblick auf die atomare Sicherheit?

Verschiedene Anzeichen – wachsender Druck in der Magma-Kammer, zurückgehende Was­serspiegel in der Umgebung, Risse in der Erdoberfläche – signalisieren, dass der Vulkan nach 300 Jahren Inaktivität vom jüngsten Erdbeben wieder aufgeweckt wurde (Japan Today). Eine am 27. Juli vom Allgemeinen Forschungsinstitut für Industrietechnik veröffentlichte Studie kommt zum Schluss, dass der Fudschijama in den letzten 2.000 Jahren 43 Mal ausgebrochen ist – wie Yomiuri Shimbun berichtet [Ersatzlink auf asianewsnet, AdÜ].

Es gab verschiedene Fälle, bei denen starke Erdbeben (>M9.0) innerhalb von drei Jahren zu Vulkanausbrüchen geführt haben:

  • 26. Dezember 2004, Sumatra, Indonesien: Erdbeben der Stärke M9.2 – der Vulkan Talang bricht am 12. April 2005 aus. Außerdem bricht am 13. März 2005 der Tangkuban Perahu auf West Java, Indonesien, aus.
  • 27. März 1964, Alaska, USA: Erdbeben der Stärke M9.2 – der Vulkan Redoubt bricht am 24. Jänner 1966 aus.
  • 22. Mai 1960, Valdivia, Chile: Erdbeben der Stärke M9.5 – der Vulkan Cordon Caulle bricht am 24. Mai 1960 aus.

 

Niemand kann mit Sicherheit sagen, wann es zu einem Ausbruch kommen wird, aber diese Möglichkeit außer Acht zu lassen – sei es, dass es dazu in 1, 5, 20 oder 100 Jahren kommt – ist gefährlich und verantwortungslos.

Einige werden argumentieren, dass der Hinweis auf einen nicht voraussagbaren Vulkanaus­bruch in der Nähe eines Atomkraftwerks – eine Situation, die noch nie eingetreten ist – Panik­mache sei. Ich sage hingegen, dass das von Verantwortungsbewusstsein zeugt. Die Atom­kraftwerke sind eine Realität, genauso wie es Erdbeben, Vulkanausbrüche oder andere natürli­che oder vom Menschen verursachte Katastrophen gibt. Regierungen und Energieversor­gungs-Unternehmen sollten sich darüber im Klaren sein, dass 10- oder 100-jährige Katastro­phen gewaltige Atomunfälle verursachen können. Sie sollten den Bürgern die Risiken, mit de­nen als Folge der Stromproduktion zu rechnen ist, erklären. Die Atomdiskussion ist an diesem Punkt lückenhaft.

Meine große Befürchtung ist, dass Regierung und Wissenschaftler sagen werden, dass ein Ausbruch des Fudschijama undenkbar sei – gerade so, wie sie es in Bezug auf Mega-Erdbeben und Tsunamis gemacht haben, als das Atomkraftwerk Fukushima errichtet wurde. Insbesondere auch, weil Atomkraftwerke im Schatten von Japans „heiligem“ Vulkan platziert sind.

 

Eine geologische Karte des Fudschijama (1968). Im Laufe eines großräu¬migen Ausbruchs an der Ostflanke (um 50 v. C.) floss die Lava in der Nähe von Gotemba (Präfektur Shizuoka) bis auf eine Seehöhe von 700 m tal¬wärts, wo heutzutage viele Hotels stehen. Eine neue geologische Karte, die erstmals seit 45 Jahren überarbeitet wurde, soll noch in diesem Jahr fertig¬gestellt werden – es wird erwartet, dass sie in die Evakuierungspläne Ein¬gang findet (Yomiuri Shimbun)
Eine geologische Karte des Fudschijama (1968). Im Laufe eines großräu¬migen Ausbruchs an der Ostflanke (um 50 v. C.) floss die Lava in der Nähe von Gotemba (Präfektur Shizuoka) bis auf eine Seehöhe von 700 m tal¬wärts, wo heutzutage viele Hotels stehen. Eine neue geologische Karte, die erstmals seit 45 Jahren überarbeitet wurde, soll noch in diesem Jahr fertig¬gestellt werden – es wird erwartet, dass sie in die Evakuierungspläne Ein¬gang findet (Yomiuri Shimbun)

Tief beunruhigt bin ich über das Atomkraftwerk Hamaoka in der Stadt Omaezaki (Präfektur Shi­zuoka). Am 6. Mai 2011 verlangte Premier Naoto Kan, dass das Atomkraftwerk geschlossen wird, weil zu erwarten ist, dass ein Erdbeben von der Stärke M8.0 oder stärker mit 87%-er Si­cherheit dieses Gebiet in den nächsten 30 Jahren treffen wird. Schon jetzt müssten die Brenn­elemente noch etwa drei weitere Jahre im Abklingbecken aufbewahrt werden.

Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu verstehen, dass eine Explosion mit Dampf, Wasser, Asche und Gestein zum Zusammenbruch der Energieversorgung in einem Atomkraftwerk führen und das Kühlsystem im Druckbehälter und im Containment stören kann. Bei einem Vulkanausbruch entstünde über mehrere Tage ein Asche- und Gesteinsregen, was dringende Instandsetzungsarbeiten behindern würde.

Ich verstehe, dass es im Falle eines Unfalls das Sicherste ist, die Brennelemente aus dem Abklingbecken zu entfernen, aber das ist ein mühsamer und zeitaufwändiger Vorgang. Und dann bleibt noch die letzte Frage: Wohin damit? Ist sich Japan darüber im Klaren, wie viele Atomkraftwerke rund um den Fudschijama als Gefahr einzustufen sind? Wir sollten nicht übersehen, dass der Rückbau eines Atomkraftwerks gut 50 Jahre dauert.

 

Alle Atomkraftwerke sollten geschlossen werden, sagte Gregory Jaczko, ehemaliger Vorsitzender der NRC (der us-amerikanischen Atomaufsicht). Dr. Gorden Edwards, ein allseits geschätzter Nuklear-Experte, lieferte dazu folgende hilfreiche Erläuterung:

[Jaczko] gelangte zu einer sehr grundlegenden Einsicht: Jede Maschine, die potentiell gefährlich ist, sollte einen Not-Abschalter haben, mit dem wirklich alles ausgeschaltet werden kann. Und Atomkraftwerke haben so etwas nicht. Deshalb – so schloss er – sollten alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Aber ein Atomkraftwerk kann nicht vollständig ausgeschaltet werden, gleichgültig, auf welche Art man es abzuschalten versucht. Man muss also von einem Konstruktionsfehler sprechen! Stellen sie sich ein Auto vor, das nicht angehalten werden kann – oder ein Feuer, dass nicht gelöscht werden kann.“

Japan hat bis heute 54 Reaktoren gebaut, wir können nicht auf ewig die Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass es bei einer Naturkatastrophe zu einer Freisetzung von radioaktivem Material kommt.

Die wichtigste Erkenntnis, die ich aus der Fukushima-Katastrophe gezogen habe, ist die Erkenntnis von der Endgültigkeit der Atomkraft. Jeder Atomunfall – sei er durch einen menschlichen Fehler, eine Naturkatastrophe oder einen Terrorakt verursacht – wird uns mit Strahlung und anderen Gesundheitsrisiken zurücklassen, und das für mindestens mehrere Jahrhunderte.

Japan sollte mit seinen Bürgern ehrlich sein in Bezug auf die Gefahren, die der Tribut bei der Stromerzeugung sind – man sollte diesen Gefahren ins Auge schauen.

 

 

Originalquelle:  http://akiomatsumura.com/2013/07/1550.html

Übersetzung und Lektorat: www.afaz.at (ho,lg)

 

Dieses Schriftstücks steht unter GFDL, siehe www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html. Vervielfältigung und Verbreitung – auch in geänderter Form – sind jederzeit gestattet, Änderungen müssen mitgeteilt werden (email: afaz@gmx.at).              www.afaz   Juli 2013 /v1

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